Deutschlands Konzerne sind Weltmarken. Namen wie BMW, SAP, Allianz oder Siemens sind überall bekannt und gelten als Sinnbild für Qualität, Ordnung und Ingenieurskunst. Doch jede Marke erzählt nicht nur Fakten über Produkte oder Dienstleistungen – sie erzählt eine psychologische Geschichte. Besonders spannend wird das, wenn man die Archetypen in DAX-Konzernen betrachtet: Diese Geschichten folgen tief verwurzelten Mustern, den Archetypen, die Carl Gustav Jung bereits Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben hat.
Archetypen geben Marken eine Persönlichkeit. Sie machen Unternehmen greifbar, lassen uns vertrauen oder zweifeln, inspirieren uns oder langweilen uns. Doch Archetypen haben eine helle und eine dunkle Seite. Und genau da liegt das Problem: Viele deutsche Konzerne verharren in den Schattenseiten ihrer Archetypen – während internationale Player längst in ganz andere Rollen geschlüpft sind.
In diesem Beitrag werfen wir einen kritischen Blick auf die Archetypen der DAX-Konzerne und zeigen, welche Rollen sie in der Markenkommunikation einnehmen – und wo ihre Schattenseiten liegen. Anhand von Beispielen wie BMW, VW oder Allianz wird deutlich, wie stark diese Muster unsere Wahrnehmung prägen. Gleichzeitig vergleichen wir die deutschen Marken mit internationalen Playern wie BYD, Tesla oder Apple und ziehen ein klares Fazit: Deutschland muss den Mut finden, neue Archetypen zu leben, wenn es im globalen Wettbewerb bestehen will.
Was sind Archetypen – und warum relevant für Marken?
Archetypen sind universelle Urbilder von Rollen und Persönlichkeiten, die wir intuitiv verstehen: der Held, der Weise, der Beschützer, der Rebell. Sie wirken, weil sie tief in unserer Psyche verankert sind. Marken, die sich bewusst über Archetypen positionieren, schaffen klare Identität und emotionale Bindung.
Doch: Ein Archetyp ist kein starres Label. Er kann sich entwickeln, transformieren – oder in seiner Schattenseite stecken bleiben. Wer nur „der Held“ sein will, läuft Gefahr, überheblich zu wirken. Wer zu sehr „der Beschützer“ ist, wirkt schnell ängstlich und innovationsfeindlich.
Archetypen wirken deshalb so kraftvoll, weil sie uns als Verbraucher Entscheidungen erleichtern. Wir kaufen selten nur ein Produkt – wir kaufen ein Gefühl, eine Geschichte, eine Identität. (Lesetipp: Verbraucherverhalten verstehen) Wenn wir zur Allianz gehen, suchen wir nicht nur eine Versicherungspolice, sondern das beruhigende Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit. Wenn wir bei VW ein Auto kaufen, geht es nicht nur um Motorleistung, sondern um das Versprechen von Alltagstauglichkeit, Bodenständigkeit und Nähe.
Genau das macht Archetypen so relevant für die Markenführung: Sie verdichten komplexe Markenbotschaften zu einem klaren Bild im Kopf der Kunden, und schaffen eine klare Markenerinnerung. Doch wenn diese Bilder in die falsche Richtung kippen – wenn der Beschützer überängstlich wirkt oder der Held überheblich – dann verliert die Marke ihre Strahlkraft.
Methodik: Wie wir die Archetypen-Analyse gemacht haben
Für diese Mini-Studie habe ich die Markenkommunikation der bekanntesten DAX-Konzerne untersucht: Claims, Kampagnen, Websites, Auftritte in Social Media. Ergänzend habe ich Gespräche und Beobachtungen aus dem Branding-Alltag einbezogen.
Das Ziel:
- Primär-Archetypen identifizieren
- Schattenseiten aufzeigen
- Vergleich zu internationalen Playern ziehen
Die Archetypen in DAX-Konzernen – Licht und Schatten
1 BMW – Der Held
- Botschaft: „Freude am Fahren“, Leistung, Kraft, Premium-Performance.
- Stärken: Inspiriert durch Stärke, Dynamik und Erfolg.
- Schattenseite: Überheblichkeit, festhalten am Narrativ „Performance über alles“. Elektromobilität und KI werden zu spät ernst genommen. Während Tesla längst Software-Updates liefert, verkauft BMW noch den „Fahrspaß wie immer“.
Zusatz: Zwar versucht BMW mit seiner „i“-Serie und neuen Elektrostrategien aufzuholen, doch kommunikativ bleibt der Held in der Vergangenheit verankert. „Freude am Fahren“ wirkt im Zeitalter von Nachhaltigkeit, autonomem Fahren und digitaler Vernetzung wie eine Geschichte von gestern – ein Held, der nicht recht weiß, wie er in der Zukunft glänzen soll.
2 Volkswagen – Der Jedermann
- Botschaft: „Das Auto fürs Volk.“ Erreichbarkeit, Bodenständigkeit, Mobilität für alle.
- Stärken: Nähe, Vertrautheit, „jeder fährt VW“.
- Schattenseite: Dieselgate, Vertrauensverlust. Der Archetyp kippt in die Karikatur: „Jedermann“ kann auch heißen: niemand glaubt dir mehr.
Zusatz: Mit der ID-Serie wollte VW den großen Neuanfang in Richtung Elektromobilität wagen. Doch die Modelle ID.3 und ID.4 wurden kommunikativ schwach aufgeladen – statt Aufbruchsstimmung blieb bei vielen Kunden Unsicherheit. Der „Jedermann“-Archetyp hätte die Chance gehabt, Elektromobilität massentauglich und nahbar zu machen. Stattdessen wirkt VW im globalen Vergleich eher wie ein Getriebener, der auf Trends reagiert, anstatt sie mutig selbst zu setzen.
3 Mercedes-Benz (Daimler Truck) – Der Herrscher
- Botschaft: Luxus, Status, „Das Beste oder nichts“.
- Stärken: Premium, Autorität, Macht.
- Schattenseite: Arroganz, Trägheit. Der Herrscher schaut von oben herab, während andere längst die Spielregeln ändern. Transformation? Kommt spät, zu spät.
Zusatz: Mit der EQ-Serie versucht Mercedes zwar, das Feld der Elektromobilität zu besetzen, doch auch hier bleibt die Botschaft stark an Luxus und Exklusivität gebunden. Statt den Archetyp mutig weiterzuentwickeln, wirkt der Herrscher, als wolle er einfach seinen Thron polieren. In einer Welt, in der Transformation und Nachhaltigkeit zählen, reicht es nicht mehr, majestätisch über den Dingen zu stehen – der Archetyp braucht neue Energie, um zukunftsfähig zu bleiben.
4 Allianz – Der Beschützer
- Botschaft: Sicherheit, Vertrauen, Verantwortung.
- Stärken: Stabilität, Verlässlichkeit.
- Schattenseite: Übervorsicht, lähmende Langsamkeit. Wer nur beschützen will, verhindert Innovation. KI & Digitalisierung? Lieber noch ein Gutachten abwarten.
Zusatz: Genau diese Haltung macht die Allianz zum Sinnbild für das deutsche Dilemma: viel Kompetenz, aber wenig Mut. Der Archetyp des Beschützers könnte heute neu interpretiert werden – nicht nur als Garant für Sicherheit, sondern als Wegbereiter für innovative Formen von Vorsorge und Absicherung in einer digitalisierten Welt. Stattdessen wirkt die Marke, als wolle sie ihre Kunden vor jeder Veränderung bewahren, selbst wenn die Zukunft längst an die Tür klopft.
5 SAP – Der Weise
- Botschaft: „Wir bringen Ordnung ins Chaos der Business-Welt.“
- Stärken: Wissen, Struktur, Logik.
- Schattenseite: Bürokratie, Schwerfälligkeit, Systeme, die eher Komplexität schaffen als lösen. Im KI-Rennen wirken sie wie ein Professor, der überlegt, während andere schon handeln.
Zusatz: Die Cloud-Transformation kam bei SAP spät und wirkt bis heute wie ein Kraftakt. Zwar will man nun KI in die Produkte integrieren, doch die Kommunikation bleibt nüchtern, technisch und wenig inspirierend. Der Weise müsste eigentlich Orientierung geben, stattdessen vermittelt SAP das Bild eines Lehrstuhls, der noch in Papieren blättert, während andere längst Prototypen testen.
6 Siemens – Der Weise / Schöpfer
- Botschaft: Ingenieurskunst, Technologie, Fortschritt.
- Stärken: Pioniergeist, Know-how.
- Schattenseite: Verharren im „alten Fortschritt“. Viel Power in der Vergangenheit, wenig mutige Kommunikation in der Zukunft.
Zusatz: Zwar positioniert sich Siemens mit Bereichen wie „Smart Infrastructure“ oder „Digital Industries“ als Zukunftsgestalter, doch der kommunikative Auftritt bleibt schwerfällig. Der Archetyp schwankt zwischen Weisheit und Schöpfungskraft – aber anstatt beides zu vereinen, verzettelt sich die Marke im Techniksprech. Ein Schöpfer inspiriert. Siemens erklärt.
7 Deutsche Bank – Der Herrscher
- Botschaft: Macht, Geld, Kontrolle.
- Stärken: Stärke, Einfluss, Größe.
- Schattenseite: Skandale, Vertrauensverlust, Arroganz. Der Herrscher wirkt wie ein König ohne Reich.
Zusatz: Der Versuch, sich als „Bank of Trust“ oder digitaler Player neu zu positionieren, bleibt oberflächlich. Der Archetyp des Herrschers könnte für Stabilität und Orientierung stehen – doch die Vergangenheit mit Finanzkrisen und Skandalen zieht das Bild in die Schattenseite. Kunden erleben Machtgehabe statt Führung.
8 Bayer – Der Heiler
- Botschaft: Gesundheit, Leben verbessern, Verantwortung.
- Stärken: Vertrauen in Forschung und Medizin.
- Schattenseite: Monsanto-Übernahme, Glyphosat-Debatte. Der Heiler kippt ins Gegenteil: vom Retter zum Vergifter.
Zusatz: Bayer kommuniziert zwar Fortschritt in Medizin und Landwirtschaft, doch das Image bleibt von Skandalen belastet. Ein Archetyp, der eigentlich Hoffnung spenden sollte, trägt nun schwer am Ballast der Vergangenheit. Das zeigt, wie schnell sich ein positiver Archetyp ins Gegenteil verkehren kann, wenn Transparenz und Glaubwürdigkeit fehlen.
9 Deutsche Telekom – Der Verbinder
- Botschaft: Nähe, Kommunikation, Zusammenhalt.
- Stärken: Emotionaler Auftritt, „Erleben, was verbindet“.
- Schattenseite: Langsame Netze, Bürokratie, wenig echte Innovation. Der Verbinder, der sein Netz nicht fertig gebaut kriegt.
Zusatz: Mit ihren Magenta-Kampagnen schafft die Telekom zwar emotionale Bilder, doch die Realität hinkt oft hinterher. Ein Archetyp, der Menschen verbinden will, verliert an Glaubwürdigkeit, wenn die Verbindung stockt. Gerade im 5G- und Glasfaser-Rennen zeigt sich die Schattenseite deutlich: schöne Werbung, aber schleppende Umsetzung.
Muster und Erkenntnisse: Archetypen in DAX-Konzernen
- Bei den Archetypen in Dax-Konzernen Deutschlands dominieren Herrscher, Weiser und Beschützer.
- Diese Archetypen stehen für Sicherheit, Ordnung, Kontrolle – Tugenden, die Deutschland geprägt haben.
- Aber: Sie sind zugleich die Schattenseiten unserer Wirtschaftskultur. Sie verhindern Mut, Geschwindigkeit, Transformation.
Was deutsche Marken jetzt tun müssten
Archetypen mutig weiterentwickeln: Der Beschützer darf nicht im ängstlichen „Alles absichern“ hängen bleiben, sondern muss Sicherheit mit Innovation verbinden.
Schattenseiten anerkennen: Wer nur Held sein will, ignoriert die Gefahr der Überheblichkeit. Marken müssen ihre dunklen Seiten ansprechen – sonst tun es andere (Medien, Kritiker).
Neue Archetypen wagen: Deutschland braucht mehr Magier (Transformation), Rebellen (Disruption) und Schöpfer (Kreativität). Ohne diese Archetypen bleibt die Markenlandschaft defensiv.
KI & Digitalisierung als Bühne nutzen: Statt Risiken zu betonen, sollten deutsche Konzerne die Chance ergreifen, ihre Archetypen mit Zukunftsvisionen aufzuladen.
Der internationale Kontrast – und warum BYD der wahre Magier ist
BYD – Der Magier
- Botschaft: „Build Your Dreams.“ Transformation pur.
- Stärken: Elektroautos, Batterien, Solar, KI. BYD erschafft neue Realitäten, nicht nur Produkte.
- Schattenseite? Noch unklar – derzeit sind sie global auf Expansionskurs, unaufhaltsam.
- Provokation: Während deutsche Autobauer noch ihre Helden- und Herrscher-Geschichten erzählen, hat BYD längst den Archetyp des Magiers übernommen – und verwandelt ganze Industrien.
Tesla – Der Rebell
- Bricht Regeln, polarisiert, verändert Industrien.
- Deutsche Konzerne wirken dagegen wie Schüler, die Angst vor Fehlern haben.
Apple – Der Schöpfer/Magier
- Technologie als Lifestyle, Produkte als Transformation.
- Deutsche Tech-Konzerne? Zu rational, zu kompliziert, zu wenig „Wow“.
Fazit: Deutschland braucht neue Archetypen!
Deutschland war einmal das Land der Ingenieure und Pioniere. Heute sind unsere Konzerne vor allem Hüter des Bestehenden. Held, Weiser, Beschützer – das klingt stark, wirkt aber schwach, wenn die Welt nach Magiern, Rebellen und Schöpfern verlangt.
Meine These
Wenn deutsche Marken ihre Archetypen nicht transformieren, bleiben sie im Schatten stecken. Sie brauchen den Mut, ihre Geschichten neu zu erzählen – nicht als Wiederholung von Ordnung und Sicherheit, sondern als Versprechen von Transformation und Zukunft.
Welche Archetypen stecken hinter deiner Marke – und bist du bereit, auch die Schattenseiten zu erkennen?
Mach den Archetypen-Test auf Archetypentest.com
Oder sprich mit uns darüber, wie wir deine Marke aus der Schattenseite führen.
Alles Liebe und bleib inspiriert
Deine Dee
FAQ: Archetypen in Unternehmen
Warum sind Archetypen in der Markenführung so wichtig?
Archetypen geben Marken eine klare Persönlichkeit und machen sie für Kunden intuitiv verständlich. Sie verdichten komplexe Botschaften zu emotionalen Bildern, die Vertrauen schaffen und Kaufentscheidungen erleichtern.
Welche Archetypen dominieren bei deutschen Unternehmen?
Vor allem Herrscher, Weiser und Beschützer – also Archetypen, die für Sicherheit, Ordnung und Stabilität stehen. Diese spiegeln deutsche Kultur wider, können aber in Zeiten von Transformation auch bremsend wirken.
Was passiert, wenn eine Marke in ihrer Schattenseite feststeckt?
Dann kippt die Wirkung ins Gegenteil: Der Held wirkt überheblich, der Beschützer ängstlich, der Weise bürokratisch. Statt Vertrauen entsteht Distanz – und die Marke verliert Relevanz.
Können Unternehmen ihren Archetyp wechseln?
Ja, aber es ist ein Prozess. Oft geht es weniger um einen radikalen Wechsel, sondern darum, den Archetyp weiterzuentwickeln. Ein Beschützer kann zum Innovations-Beschützer werden, ein Weiser kann agiler auftreten, ein Herrscher kann inspirierender führen.
Welche Archetypen gelten als besonders zukunftsweisend?
Magier, Rebell und Schöpfer – sie stehen für Transformation, Disruption und Kreativität. Gerade in Zeiten von KI, Nachhaltigkeit und globaler Konkurrenz sind diese Archetypen Treiber für Innovation.
Warum wirken internationale Marken oft moderner?
Weil sie mutigere Archetypen verkörpern. Tesla spielt den Rebell, BYD den Magier, Apple den Schöpfer. Diese Archetypen erzeugen Spannung, Inspiration und Veränderung – genau das, was vielen deutschen Marken fehlt.
Wie können kleinere Unternehmen Archetypen nutzen?
Auch ohne Milliardenbudget können KMUs Archetypen einsetzen. Der Trick ist Klarheit: Welche Rolle will ich in den Köpfen meiner Zielgruppe einnehmen? Mit einem klaren Archetyp wird die Kommunikation konsistenter und Kundenbindung stärker.